Das 20. Jahrhundert mit seinen beispiellosen Katastrophen erschütterte die menschliche Zivilisation bis in ihre Grundfesten. Die entstandenen totalitären Lager wurden zum paradigmatischen Ort von Entmenschlichung und Vernichtung. Der russische Autor Warlam Schalamow überlebte 17 Jahre GULag am Kältepol der Erde und hinterließ sein Wissen über die dortigen Abgründe im sechsteiligen Zyklus »Erzählungen aus Kolyma«. Erinnernd und aufs Neue in die Hölle des Lagers hinabsteigend, mahnte der Autor nachdrücklich: »Der Mensch soll es nicht kennen, soll nicht einmal davon hören.«
Die Literaturwissenschaftlerin Elena Fast geht diesem paradoxen Wissen und seiner Erzählweise in Schalamows monumentalem Werk nach.
Unter Einbeziehung historischer Forschung und mit einem neuen theoretisch-methodischen Ansatz werden anhand genauer Textanalysen Antworten auf die Fragen gesucht: Wie konstituiert sich die ›ideale‹ Lagerordnung? Was sind ihre Gesetzmäßigkeiten? Worin unterscheiden sich die Existenzräume Gefängnis und Straflager? Welche Akteure sind am Geschehen beteiligt und was macht sie zu wissenden Subjekten? Die Erkenntnisse Schalamows ›negativer Anthropologie‹ schärfen den Blick für die Gefahren der Wechselwirkung in der Beziehung zwischen (Staats-)Macht und Individuum jenseits nationaler und ideologischer Grenzen.
Elena FastElena Fast, geb. 1976, studierte Deutsche Philologie, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften sowie Literaturwissenschaft in Wolgograd, Köln und Bielefeld. 2024 promovierte sie an der Uni Bielefeld mit »Das Lagerwissen in Warlam Schalamows „Erzählungen ...
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