Es ist reizvoll, die Bibel als reines Objekt der Publizistik und Medium der Massenkommunikation zu betrachten. Denn kein Buch hat das Erscheinungsbild moderner Printmedien mehr geprägt. Mit keinem Text wurde intensiver und raffinierter experimentiert, um ihn an jedes nur denkbare Anforderungsprofil anzupassen, damit seine Botschaft in jeden Kopf geht. Das ist die Kernaufgabe allen modernen Marketings. Als heiliges Buch war die Bibel zugleich die wichtigste Unterhaltungs- und Bildungsliteratur. Strategien, die sich in so umfassendem Umfeld bewähren, färben unmittelbar auf andere Bereiche ab. Deshalb ist es nicht überraschend, dass der Bibeldruck eine Schlüsselstellung für Botschaftsgestaltung eingenommen hat, im Grunde sogar zum Archetyp moderner Medienkultur schlechthin geworden ist. Die Bibel war der Fernsehapparat der Frühen Neuzeit. Dieses auffällige Verhältnis ist von der Medien- und Kommunikationsforschung bislang kaum beachtet worden. Am variantenreichsten Bibeldrucker überhaupt, der v. Stern’schen Druckerei zu Lüneburg, wird exemplarisch dargestellt, wie systematisch bereits im 17. und 18. Jahrhundert Marketingstrategien entwickelt wurden. Die Druckerei druckt noch heute und ist die weltweit älteste, die noch immer von der Gründerfamilie betrieben wird.
Wolfgang SchellmannDr. Wolfgang Schellmann ist Geschäftsführer im Ruhestand, zuletzt Freiberufler. Er studierte Maschinenbau und Ökonomie an den Universitäten Darmstadt und Marburg und wurde mit einer wirtschaftswissenschaftlichen Arbeit promoviert. Schellmann forscht aus ...
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