

Inhalt
»Um im historischen Material etwas lesen zu können, muß ich die Zeit zurückverfolgen und gleichzeitig die Zeitmomente neu montieren. Erst der Kontrast, erst die Differenz macht die
Dinge sichtbar. Als müßte man zum Verständnis unserer eigenen Vergangenheit die Gegenwart umkonfigurieren können. Dieses eigentümliche Wissen ist jedesmal im Spiel, wenn man die Gefahr riecht.«
»Schlagwetter« - ein Begriff aus dem Bergbau - bezeichnet ein Gemisch aus Methan und Luft, das unter Tage entsteht. Es kann zu einem explosiven Grubengas
werden, das für Bergleute deswegen so gefährlich ist, weil seine Bestandteile geruch- und geschmacklos sind. Früher benutzten Bergleute kleine Vögel in Käfigen als »Wahrsager«, um ein
Austreten des Grubengases frühzeitig bemerken zu können: Es war ein schlechtes Omen, wenn der Vogel plötzlich anfing zu zittern.
Lässt sich unter solchen Gesichtspunkten auch die Geschichte erfassen? Sind die Vorzeichen historischer Erschütterungen genauso geschmack- und geruchlos wie das Grubengas, kaum zu bemerken und doch
Indizien eines Wendepunktes?
Didi-Huberman geht diesen Fragen in seinem neuen Essay nach, indem er sich mit dem Film beschäftigt, der die Konstellation von Bild und Kommentar auf ein ganz neues, bis dahin unbekanntes Niveau gehoben hatte: Pier Paolo Pasolinis La Rabbia, der nicht nur als politisch-poetischer Bilderreigen beeindruckt, sondern zugleich ein historischer Seismograph ist, der in der Poesie der Montage das Schlagwetter erahnen lässt.
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